| 29. August 2016
Forschung mit hoher Drehzahl
Elektromotorenprüfstand mit Vorzeigecharakter in der Hochschule für Technik Rapperswil
Die HSR Hochschule für Technik Rapperswil hat für ihre Lehre und Forschung seit Kurzem einen Elektromotorenprüfstand mit Vorzeigecharakter. Die Technik dafür stammt fast ausschliesslich von ABB.
Das Hochspannungslabor des Instituts für Energietechnik (IET) der HSR liegt eher unscheinbar in einem Industriequartier. Doch im Innern passiert Eindrückliches. Das Labor verfügt zum Beispiel über einen Marx-Generator mit einer Blitzstossspannung von 800 kV, der bei verschiedenen Prüfverfahren spektakuläre Blitze erzeugt.
Im vergangenen Jahr hat die Laborausrüstung weitere Verstärkung erhalten: einen Motorenprüfstand. Die Mitarbeitenden des Instituts für Energietechnik forschen und unterrichten im Labor unter anderem in der elektrischen Antriebstechnik. Weitere Schwerpunkte sind Hochspannungstechnik und Leistungselektronik. Bei Entwicklungsprojekten arbeitet das Institut mit einem Netzwerk von Industriepartnern zusammen.
Motoren auf Herz und Nieren prüfen
«Mit dem Prüfstand können wir jede Art von Elektromotor unter realistischen Bedingungen elektrisch und mechanisch testen», erklärt Jasmin Smajic, Professor für Elektrotechnik am IET. Das bietet Vorteile in mehrfacher Hinsicht: Studierende erfahren am Prüfstand eins zu eins, wie sich Motoren unter verschiedenen Bedingungen verhalten. Und für die Forschung des Instituts eröffnet die Anlage eine Reihe zusätzlicher Möglichkeiten. Zudem kann das IET für Industriekunden analysieren, wie effizient deren Motoren in der Praxis laufen.
Im Prüfstand lassen sich Elektromotoren im Motor- und im Generatorbetrieb auf Herz und Nieren prüfen. Ein Test im Motorbetrieb funktioniert dabei vereinfacht gesagt wie folgt: Der «Prüfling» wird an einen anderen Motor gekoppelt. Dieser fungiert als Lastmaschine, das heisst, er simuliert eine industrielle Applikation wie eine Pumpe oder einen Ventilator: Statt einer solchen treibt der Prüfling die Lastmaschine an. Sensoren messen dabei verschiedenste Leistungsparameter. Die Lastmaschine funktioniert ihrerseits als Generator und speist elektrische Energie über einen Frequenzumrichter zurück an den Prüfling. Damit entsteht ein Kreislauf mit geringem Energiebedarf und geringen elektrischen Verlusten.
Massgeschneiderte Anlage
ABB bietet für komplexe Anwendungen wie diese die ganze Bandbreite der nötigen Produkte. Der Prüfstand am IET besteht denn auch fast vollständig aus ABB-Lösungen. Dazu zählen unter anderem zwei energieeffiziente Prozessmotoren (Effizienzklasse IE3), ein Multi-Drive-Frequenzumrichtersystem vom Typ ACS800, eine speicherprogrammierbare Steuerung (SPS) des Typs AC500, ein Touchpanel vom Typ CP675 und diverse Schalt- und Schutzgeräte.
Geplant, konstruiert und installiert hat die Anlage die w.frei ag, ein Channelpartner («Authorized Value Provider») von ABB (vgl. «Seewasserwerk Meilen»). Die Anforderungen waren besonders hoch, denn der Prüfstand muss für die Verwendung in Lehre und Forschung eine grosse Vielfalt von Möglichkeiten bieten. Marcel Frei, Geschäftsführer der w.frei ag erklärt: «Einen Motorenprüfstand in dieser Dimension gibt es nicht von der Stange – wir haben ihn ganz spezifisch nach den Bedürfnissen der Hochschule geplant und gebaut. Mit ABB haben wir eine seit Jahrzehnten gewachsene Zusammenarbeit und sind von der Qualität der Produkte überzeugt.»
Neue Forschungsprojekte möglich
Seit der Inbetriebnahme im August 2015 verrichtet der Prüfstand tadellos seinen Dienst. «Für unsere Firma war dieses Projekt ein Meilenstein», blickt Frei mit Genugtuung zurück. Auch Dominik Wespe, der die Umsetzung als Projektleiter verantwortete, streicht das Besondere der Anlage heraus: «Der Prüfstand ist ausserordentlich gut ausgebaut und robust. Ihn zu installieren, war eine spannende Herausforderung.»
Einer solchen blickt auch das IET entgegen. Um die Daten aus dem Prüfstand genau nach ihren Bedürfnissen sammeln und auswerten zu können, wollen die Mitarbeitenden in den kommenden Monaten eine eigene Software entwickeln.
Jasmin Smajic freut sich darauf ebenso wie über die Möglichkeiten des neuen Equipments: «Der Prüfstand bringt unsere Forschung nochmals einen Schritt weiter. Wir können unsere Berechnungen und Modelle nun direkt im Institut durch praktische Messungen überprüfen und verfeinern. So können wir grössere und komplexere Forschungsprogramme im Bereich Motoren durchführen.»
Ein erstes solches Projekt läuft bereits: Das IET nimmt mithilfe des Prüfstands das Auftreten von Lagerströmen unter die Lupe. Es handelt sich dabei um ein elektromagnetisches Phänomen, das auftreten kann, wenn ein Elektromotor nicht ganz nach Vorgabe an den Frequenzumrichter angeschlossen ist. In der Folge entstehen Stromflüsse im Kugellager, was dessen Lebensdauer reduziert. Für eine möglichst optimale Verfügbarkeit von Antriebssystemen ist es demnach wichtig, das Phänomen Lagerströme genau zu verstehen. Die Erkenntnisse aus dem Forschungsprojekt können vor diesem Hintergrund zu weiteren Verbesserungen in der Motorenkonstruktion beitragen. Aus dem Labor im Rapperswiler Industriequartier könnte damit künftig noch die eine oder andere Innovation kommen, die die Industrie ein Stück weiterbringt.
Hochschule für Technik Rapperswil – Institut für Energietechnik
Die HSR Hochschule für Technik Rapperswil ist Mitglied der Fachhochschule Ostschweiz FHO. Sie bildet in Technik und IT sowie in Architektur, Bau und Planung rund 1500 Bachelor- und Masterstudierende aus. Daneben bietet sie verschiedene CAS- und MAS-Lehrgänge für Fachleute aus der Praxis an. Durch ihre 16 Institute der anwendungsorientierten Forschung und Entwicklung pflegt die HSR eine intensive Zusammenarbeit mit der Wirtschaft und der öffentlichen Hand. Das IET Institut für Energietechnik realisiert im Auftrag von Kunden Industrie- und Forschungsprojekte der allgemeinen Energietechnik. Die Professoren des Instituts unterrichten zudem Bachelor- und Masterstudierende in zahlreichen Studiengängen sowie Fachleute aus der Praxis in den Weiterbildungsangeboten der HSR.
Weitere Infos: www.iet.hsr.ch