Energietechnik | 15. Januar 2018
Schlüsseltechnologie für das Stromnetz der Zukunft
Romande Energie installiert erstmals Mittelspannungslängsregler
Meilenstein in der Schweizer Energiewende: Die Netzbetreiberin Romande Energie installiert den ersten Mittelspannungslängsregler des Landes. Ein wegweisender Schritt für die künftige Netzentwicklung.
Er ist der erste seiner Art auf Schweizer Boden und er ist ein Bote des Energiewandels: In einem Häuschen kaum höher als eine Gartenhecke und kaum länger als ein Lieferwagen verbirgt sich der erste Mittelspannungslängsregler der Schweiz – eine Schlüsseltechnologie für die künftige Netzentwicklung. Dies ist die Geschichte, wie Romande Energie zum symbolträchtigen Regler kam.
Solaranlage produziert zu hohe Spannung
Als ein Investor in Onnens, einer kleinen Gemeinde am Ufer des Neuenburgersees, Pläne für eine grosse Photovoltaikanlage schmiedete, stiess er auf eine Herausforderung: den Anschluss seiner Anlage ans Stromnetz. Die elektrische Spannung im Netz muss zu jeder Zeit innerhalb einer gewissen Bandbreite liegen, darf also gewisse Werte nicht über- und nicht unterschreiten. Hätte die Netzbetreiberin Romande Energie die Solaranlage direkt ans Netz angeschlossen, wäre die Spannung an sonnigen Tagen so sehr gestiegen, dass sie das gesetzlich vorgeschriebene Spannungsmaximum überschritten hätte.
Eine Lösung musste her und so kam Julien Maret ins Spiel. Maret ist Elektroingenieur bei Romande Energie, die als Netzbetreiberin die Netzstabilität in der Region verantwortet. «Wenn es darum geht, ob eine Solaranlage gebaut werden soll oder nicht, ist es oftmals entscheidend, ob, wie und vor allem zu welchen Kosten sie ins Stromnetz eingebunden werden kann», erklärt Maret. Es gibt mehrere Möglichkeiten, die Spannung im Netz zu kontrollieren. Ist sie zu hoch, kann das Netz ausgebaut werden. «Das habe ich durchgerechnet: Wir hätten ein gutes Dutzend Kilometer Kabel legen müssen – das hätte uns wohl eine zweistellige Millionensumme gekostet», erklärt Maret.
Eine zweite Variante wäre gewesen, die Anlage zweizuteilen und die Hälften separat ans Netz anzubinden. Auch dies war keine zufriedenstellende Variante – nicht nur wegen der hohen Kosten des zweiten Anschlusses, sondern auch weil es dadurch nicht möglich gewesen wäre, weitere Produktionen von erneuerbaren Energien in der Region anzubinden, ohne die Spannungsnorm zu verletzen.
Automatisch und in Echtzeit
Dann kam im November 2015 eine Weisung der ElCom, der Eidgenössischen Elektrizitätskommission: Netzbetreiber sollten in Zukunft nach aktiven Lösungen suchen, um erneuerbare Energien ins Netz zu integrieren. Mit der Weisung im Hinterkopf stiess Maret auf eine weitere Möglichkeit, die Solaranlage in Onnens ans Netz anzuschliessen: mit einem Längsregler, der auf intelligente Art und Weise die Spannung im Netz so reguliert, dass das Spannungsband weder unter- noch überschritten wird, und sich nur dann in die Spannungsregelung einschaltet, wenn er tatsächlich braucht wird.
Im Niederspannungsbereich sind Längsregler gang und gäbe. Doch die grosse Solaranlage in Onnens würde eine Leistung im Mittelspannungsbereich erbringen. Maret führte eine gründliche Marktanalyse für Mittelspannungslängsregler durch. «ABB war die einzige Anbieterin, die uns einen fixfertigen Regler liefern konnte», erklärt er. Es folgte eine Reise nach Deutschland, wo die Technologie bereits im Einsatz war. «Dann wussten wir: Ein Regler, der in Deutschland funktioniert, wird auch am Neuenburgersee nicht versagen. Ausserdem war die Lösung nur halb so teuer wie andere Alternativen.» Damit war die Entscheidung gefallen.
«ABB war die einzige Anbieterin, die uns einen fixfertigen Regler liefern konnte.»
Die Frage nach dem Wo
Die grösste Schwierigkeit war es danach, den idealen Platz für den Längsregler zu finden. Marets Standortanalyse zeigte zwei ideale Positionen, beide in anderen Gemeinden als die Solaranlage. Es galt, die Gemeindeversammlung von Grandson vom Bauprojekt zu überzeugen, was Maret und seinem Team mit links gelang. Kein Wunder, wirkt seine Begeisterung für ein modernes, stabiles Netz doch ansteckend. «Ist es nicht faszinierend, dass wir das Stromnetz heute mit innovativen Technologielösungen fit für die Zukunft machen können?»
Flexibilität für die Zukunft
Mit der Installation des ersten Mittelspannungslängsreglers der Schweiz im Sommer 2017 nimmt Romande Energie eine Vorreiterposition ein. Das Stromnetz der Zukunft muss flexibler werden und die Schwankungen in der Produktion von erneuerbaren Energien abfedern. Dazu braucht es Lösungen wie den Längsregler. Das Netz wird so intelligenter und stabiler. Daniel Hammer, Generalsekretär von Romande Energie, sagt: «Der Regler ist für Romande Energie ein weiterer Schritt auf dem Weg in eine saubere, erneuerbare Energiezukunft. Er gibt uns Flexibilität – das hilft uns, weiterhin innovativ zu bleiben.»
Wie es die Weisung der ElCom beschreibt, hat Romande Energie die Investition in den Längsregler von Swissgrid zurückerhalten, weil es die technisch beste und gleichzeitig die günstigste Lösung für die Herausforderung war. Es haben also alle gewonnen: der Solaranlagenbetreiber, der an sonnigen Tagen 8 MW ins Netz einspeist, Romande Energie, die ihrem Kunden eine innovative Lösung bieten konnte und gleichzeitig ihr Netz stabiler und intelligenter gemacht hat, und Julien Maret, der, wenn er am Morgen das Licht in seiner Wohnung einschaltet, im Bewusstsein handelt, dass er seinen Teil zu einem stabilen, sicheren und modernen Stromnetz beigetragen hat.
«Der Regler ist für Romande Energie ein weiterer Schritt auf dem Weg in eine saubere, erneuerbare Energiezukunft.»
Romande Energie
Romande Energie betreibt ein etwa 10 000 km langes Stromnetz und beliefert etwa 300 000 Kunden mit Strom. Die Netzbetreiberin unterhält 13 Wasserkraftwerke, neun Kleinwasserkraftwerke, 44 Photovoltaikanlagen und die grösste Biomasseanlage der französischen Schweiz. Bis 2025 will Romande Energie über 500 Mio. CHF in den Ausbau der erneuerbaren Energien investieren.
Weitere Infos: www.romande-energie.ch