Fokus | 17. Januar 2018

Mit ABB hoch hinaus

Modernste Technologie fĂŒr Seilbahnen

Berge ĂŒben eine einzigartige Faszination aus. Seit immer mehr Gebirgsregionen von Seilbahnen erschlossen sind, fĂ€llt der Aufstieg leicht – ab in die nĂ€chste Gondel und schon geht es bequem hinauf zum Gipfel. Der Komfort, die Sicherheit und die Energieeffizienz der Bahnen haben sich ĂŒber die Jahre stetig verbessert – auch mithilfe von ABB-Technik.

Warum er auf hohe Berge steige? «Weil sie da sind», antwortete der Erstbesteiger des Mount Everest, Sir Edmund Hillary. Das erklĂ€rt wohl kaum, warum allein in den Alpen jĂ€hrlich Millionen von Menschen die Gipfel erklimmen. Ob es das GefĂŒhl von Weite und Freiheit ist oder nur der sensationelle Ausblick – die Touristen strömen. Immer neue Projekte locken in die Höhe. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt: Das Angebot reicht von der oben offenen Doppeldeckergondel mit Rundumblick hinauf zum Schweizer Stanserhorn ĂŒber die Luxus-Kabine mit dem Interieur eines 7er BMW im Hochzillertal bis hin zum FĂŒnf-GĂ€nge-MenĂŒ, serviert in den Gondeln der AllgĂ€uer Alpspitzbahn.

Wirtschaftsfaktor Seilbahn

In den Alpen sind kreative Ideen, die sich gut vermarkten lassen, gefragt: Seilbahnen sind ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Der Begriff Seilbahn umfasst nicht nur die Luftseilbahn, bei der die Passagiere ĂŒber dem Erdboden schweben, sondern auch den Ski- und Schlepplift sowie die Standseilbahn, bei der die Kabine ĂŒber ein Schienensystem gezogen wird. 2900 Seilbahnanlagen gibt es in Österreich, gefolgt von 2450 in der Schweiz und 1600 in Deutschland. Die Seilbahnnutzer sorgten im Jahr 2015 zusammen mit ĂŒbrigen ErtrĂ€gen wie Übernachtung und Verpflegung in Deutschland fĂŒr einen Gesamtumsatz von 740 Mio. Euro, in der Schweiz fĂŒr einen Gesamtumsatz von ĂŒber 1100 Mio. Euro und in Österreich fĂŒr einen Gesamtumsatz von 1300 Mio. Euro.

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Die bolivianische Stadt La Paz will bis 2019 das weltweit grösste innerstĂ€dtische Seilbahnnetz aufbauen. Zu den drei bestehenden Linien sollen sechs neue kommen. 1400 Kabinen werden dann ĂŒber die HĂ€userdĂ€cher schweben. La Paz liegt auf 3600 m Höhe, noch höher befindet sich westlich davon die Stadt El Alto. Zwischen den StĂ€dten gibt es viele Pendler. Diese können mit der Seilbahn in nur 15 Minuten bequem von El Alto hinunter nach El Paz fahren anstatt stundenlang im Stau zu stehen.

Zum In-die-Luft-Gehen

Aber auch jenseits vom Ski- und Wandertourismus hat die Seilbahn Potenzial. Angesichts von Endlosstaus entdeckt der Nahverkehr die dritte Dimension fĂŒr sich – nicht um das System zu ersetzen, sondern um es gezielt zu entlasten. Vieles spricht fĂŒr die Bahn in der Luft: Sie gilt statistisch gesehen als das sicherste Verkehrsmittel, die Bauzeit ist relativ kurz, der Platzbedarf gering. Elektrisch betrieben lassen sich Schadstoffe in der Stadt vermeiden. Insbesondere in den Metropolen SĂŒd- und Mittelamerikas gehören Gondeln hoch ĂŒber den HĂ€usern zum Stadtbild. Urbane Transportsysteme machen bisher nur 10 % des Seilbahnmarktes aus, wachsen aber rasant, schreibt der Tagesspiegel anlĂ€sslich der Eröffnung der Seilbahnlinie zwischen La Paz und El Alto in Bolivien. Die Linie, die zwei MillionenstĂ€dte verbindet, ist die lĂ€ngste stĂ€dtische Seilbahn der Welt. In Europa fĂŒhren Seilbahnen noch ein Nischendasein, werden aber zunehmend diskutiert. Beispielsweise untersucht das Projekt «Hoch hinaus in Baden-WĂŒrttemberg» des Karlsruher Instituts fĂŒr TechnikfolgenabschĂ€tzung und Systemanalyse die Akzeptanz von Seilbahnen im Stadtverkehr.

Urbane Transportsysteme machen bisher nur 10 % des Seilbahnmarktes aus, wachsen aber rasant.

Alte Erfindung mit Potenzial

Die erste Konstruktion, mit der Waren und Personen per Seil transportiert wurden, soll es bereits um 250 vor Christus in China gegeben haben. 1644 baute der NiederlĂ€nder Adam Wybe die erste Seilbahn, die Material fĂŒr den Bau des Festungsberges in Danzig beförderte. Dabei war die Technik schon frĂŒh langlebig: Die Ă€lteste Seilbahn Deutschlands, die Predigtstuhlbahn in Bad Reichenhall, fĂ€hrt noch heute mit den Tragseilen und der Antriebs- und Maschinenanlage aus dem Erbauungsjahr 1928. Doch seither hat sich die Technik enorm weiterentwickelt. «Den heutigen Bergtouristen bieten die Bahnen sehr viel mehr Komfort und Sicherheit», sagt Ueli Spinner, Leiter Verkauf Grosskunden und Service bei ABB Schweiz. Oft seien es Kleinigkeiten, die nicht direkt ins Auge fielen, wie spezielle Safetyfunktionen: «Wir entwickeln etwa elektronische Stoppfunktionen, damit die Bahn nicht losfĂ€hrt, wĂ€hrend Leute einsteigen.»

Zum Weltrekord rollen

Einen schwindelerregenden Rekord liefert die am 17. Dezember 2017 eröffnete Standseilbahn Stoos im Schweizer Muotatal: Mit bis zu 110 % Steigung ist sie die steilste Standseilbahn der Welt, das heisst, bis zu 48 Grad klettert die Trasse im GelĂ€nde. Dieses spezielle Profil stellt besondere Herausforderungen an die Statik und die Dynamik der Anlage: «Unsere Ingenieure waren vor allem mit Fragen zum Antrieb und Bremsen gefordert. Im Normalbetrieb wird die Energie elektrisch mittels Antriebsmotor, Antriebsmechanik und Seil bewerkstelligt, wobei die zwei ABB-Antriebsmotoren mit insgesamt 2,3 MW Dauerleistung im Doppelantrieb mit je 1,15 MW dimensioniert sind. ACS800-Technik sorgt fĂŒr eine stufenlose Drehzahlregulierung», sagt Erich Megert, Leiter Marketing bei der Sisag AG. Das Schweizer Unternehmen hat die Steuerung gebaut. Besondere Aufmerksamkeit mussten die Ingenieure jedoch dem sogenannten Fangbremssystem auf dem Fahrzeug widmen, das bei einem Riss des Seils auf die Schiene wirkt: «Es handelt sich um ein Bremssystem, das mit sechsstufiger Bremskraft alle möglichen LastfĂ€lle mit unterschiedlichsten Auslösekriterien abzudecken hat», sagt Megert.

Absolut ungewöhnlich ist das Design der beiden Fahrzeuge, deren je vier zylindrische Personenabteile an FÀsser erinnern, die den Berg hochrollen. Sie sind mit einer Neigungskompensation ausgestattet, sodass sich jedes Abteil entsprechend der aktuellen Steigung dreht und so den Neigungsunterschied elegant ausgleicht. Die Passagierebene bleibt immer horizontal.

Energieeffiziente Bahn Lenzerheide

In der Schweiz fahren mittlerweile die meisten Seilbahnen mit Technologie von ABB, die jahrzehntelange Erfahrung mit Berg- und Seilbahnen hat. «Heute geht es vor allem darum, die Technik in Sachen Energieeffizienz weiterzuentwickeln», sagt Ueli Spinner. Ein gutes Beispiel dafĂŒr ist die 2014 in Betrieb gegangene Seilbahn zwischen Aroser Hörnli und UrdenfĂŒrggli auf der Lenzerheide. Mit einer KapazitĂ€t von 150 Personen pro Kabine gehört die neue Verbindung der Steurer Seilbahnen AG zu den grössten der Schweiz. ABB hat die beiden Antriebe, bestehend aus einem Asynchronmotor und einem Frequenzumrichter vom Typ ACS800, beigesteuert. FĂ€hrt eine Bahn bergab, lĂ€uft ihr Frequenzumrichter im Generatorbetrieb und wandelt die Bremsenergie in Antriebsenergie fĂŒr die andere Bahn um. ÜberschĂŒssiger Strom wird abgegeben, etwa an benachbarte Bahnen oder an andere Anlagen. Eine weitere Innovation: Auf der Bergspitze ist ein automatisches Smart Grid von Sisag installiert. Das vernetzte Energiemanagementsystem kann im Notfall fĂŒr kurze Zeit die Geschwindigkeit einzelner Bahnen reduzieren und zusĂ€tzliche Verbraucher abwerfen, etwa die Schneeanlagen oder die LĂŒftung des Bergrestaurants.

In der Schweiz fahren mittlerweile die meisten Seilbahnen mit Technologie von ABB, die jahrzehntelange Erfahrung mit Berg- und Seilbahnen hat.

Auf zur Zugspitze!

Ein gutes Beispiel dafĂŒr, was heute technisch möglich ist, bietet auch die neue Seilbahn Zugspitze. Drei Tage vor Weihnachten wurde sie nach drei Jahren Bauzeit eröffnet. Die alte Bahn war an ihre KapazitĂ€tsgrenze gestossen: Sie beförderte pro Stunde 270 GĂ€ste nach oben. Mit der neuen sind bis zu 580 möglich. Die modern designten, bodentief verglasten Gondeln bieten uneingeschrĂ€nkte Sicht auf den Eibsee, die Waxensteine und das dahinter liegende Karwendelgebirge. Die neue Bahn stellt gleich drei Weltrekorde auf: Mit 127 m hat sie die höchste StahlstĂŒtze, meistert mit 1950 m den grössten Gesamthöhenunterschied und weil es nur eine und weil es nur eine tragende StĂŒtze gibt, ist auch das freie Spannfeld mit 3.213 m das lĂ€ngste der Welt. Gebaut hat die Pendelbahn das Schweizer Unternehmen Garaventa AG, Teil der Doppelmayr/Garaventa-Gruppe, WeltmarktfĂŒhrer im Seilbahnbau. Bei einer Pendelbahn laufen zwei Gondeln gegenlĂ€ufig ĂŒber eine Tragseilkonstruktion, die sie in der Luft hĂ€lt. Von einem Elektromotor bewegte Zugseile sorgen fĂŒr den Antrieb.

Rundum verglast und sehr gerÀumig: Die neuen Gondeln waren das Fotomotiv am Eröffnungstag am 21. Dezember 2017.

Am stÀhlernen Faden

HerzstĂŒck jeder Bahn sind die Seile. Hier gehen die Konstrukteure der neuen Seilbahn Zugspitze auf Nummer sicher: Die vier Trag- und zwei Zugseile wurden aus insgesamt 5,5 Mio. m Draht gefertigt, was fast der Strecke Paris – New York entspricht. Die jeweils zwei Tragseile mit einem stattlichen Durchmesser von je 7,2 cm und einer maximalen Bruchlast von fast 700 t halten die Gondeln in der Luft. Sie enthalten im Kern eine Glasfaserleitung fĂŒr die DatenĂŒbertragung von der Tal- zur Bergstation. Das untere Zugseil mit 4,1 cm und das obere mit 4,7 cm Durchmesser bilden eine Zugseilschleife.

Damit die beiden Gondeln sanft und sicher fahren, ist ein perfektes Zusammenspiel von Motor, Frequenzumrichter und Mechanik notwendig. Das ist Aufgabe der Steuerung, gebaut von der Schweizer Frey AG Stans. „In einem detailliert aufgestellten Pflichten- und Lastenheft hat der Bauherr in ĂŒber 120 Punkten festgelegt, wie die Steuerung funktionieren und mit den anderen Teilsystemen kommunizieren muss, damit ein störungsfreier Betrieb mit höchster VerfĂŒgbarkeit erreicht wird“, erlĂ€utert Martin Niederberger, stellvertretender GeschĂ€ftsfĂŒhrer der Frey AG Stans.

Diese Frequenzumrichter mit hoher Regelgenauigkeit, die sich fĂŒr viele Bereiche eignen, lassen sich prĂ€zise auf die Anforderungen von Seilbahnen einrichten.

Duales Antriebskonzept

Um die Gondeln ĂŒber die lange und bis zu 104 % steile Strecke zu ziehen, braucht es volle Power. Die liefert ein duales Antriebskonzept: In der Talstation sind zwei nebeneinander angeordnete 800-kW-Drehstrommotoren von ABB verbaut, welche die FahrgĂ€ste mit einer Geschwindigkeit von 10,6 m/s auf den Berg befördern. Der Zwei-Motoren-Antrieb wird von hochverfĂŒgbaren Powermodulen aus der ACS880-Reihe von ABB gespeist. Diese Frequenzumrichter mit hoher Regelgenauigkeit, die sich fĂŒr viele Bereiche eignen, lassen sich prĂ€zise auf die Anforderung von Seilbahnen einrichten. „Bei den Antriebskomponenten vertrauen wir schon seit Jahrzehnten auf Produkte von ABB“, sagt Niederberger.

Ein Blick in die Talstation der Seilbahn Zugspitze zeigt die beiden synchron geschalteten ABB-Motoren.

Sicherheit im Notfall

Auch fĂŒr NotfĂ€lle ist mit redundant ausgefĂŒhrten Leistungskomponenten von ABB bestens vorgesorgt: mit einem 280-kW-Drehstrommotor im Not- und einem frequenzumrichtergeregelten 250-kW-AC-Motor im Bergeantrieb. „Diese Rettungseinrichtungen sind bei einem Störfall von entscheidender Bedeutung und mĂŒssen
den hohen AnsprĂŒchen an absolute ZuverlĂ€ssigkeit genĂŒgen“, erlĂ€utert Niederberger. Ebenso erlaubt eine riesige, gut zwei MW starke Netzersatzanlage, die Eibsee-Seilbahn bei einem Netzausfall ohne EinschrĂ€nkungen weiter in Betrieb zu halten. Dabei wird der generatorische Lastfall mit entsprechenden Bremschoppereinheiten beim Frequenzumrichter ACS880 problemlos aufgefangen. Dieselben Einrichtungen sind auch beim Not- und Bergeantrieb verbaut.

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Seilbahnen sind fĂŒr jede noch so starke Steigung das Transportmittel der Wahl.

 

Einwandfreie Elektrik auch in großer Höhe

Damit die Seilbahnen zuverlĂ€ssig fahren, braucht es mehr als starke Antriebe und Motoren. Im Hochgebirge auf ĂŒber 2.000 m Höhe sind die klimatischen Bedingungen rau – eisige Temperaturen, Feuchtigkeit und insbesondere der geringere Luftdruck setzen elektrischen Installationen zu. In Stromversorgungen dient Luft zur elektrischen Isolation. Die Dichte der Luft und ihre Durchschlagsfestigkeit – die FeldstĂ€rke, die ein Stoff aushĂ€lt, ohne dass es zum Funkenschlag kommt – sind maßgebend fĂŒr die IsolationsfĂ€higkeit. Mit zunehmender Höhe nimmt jedoch durch die dĂŒnner werdende Luft die Durchschlagsfestigkeit ab.

Ob SchĂŒtze, Motorschutzschalter oder Leistungsschalter – die Niederspannungsprodukte von ABB lassen sich auch in großen Höhen einsetzen: „Elektrische Anlagen benötigen im Hochgebirge grĂ¶ĂŸere Luft- und Kriechstrecken“, erlĂ€utert Ulrich Kaiser aus der Lokalen Division Elektrifizierungsprodukte bei ABB.

„Werden die GerĂ€te entsprechend den von ABB vorgegebenen und getesteten Parametern eingestellt, lĂ€sst sich auf diese Weise die niedrigere Durchschlagsfestigkeit kompensieren. Dann funktionieren die Installationen auch hoch oben auf dem Berg einwandfrei. So setzen namhafte Kunden wie Doppelmayr zahlreiche ABB-Produkte schon lange erfolgreich in großen Höhen ein.“

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Ein weiteres Beispiel fĂŒr den Einsatz von ABB-Technologie ist die Skiarena Andermatt- Sedrun. Sie entwickelt sich derzeit zum grĂ¶ĂŸten Wintersportgebiet der Zentralschweiz: Erst kĂŒrzlich sind neue Bahnen in Betrieb gegangen; weitere entstehen. AusgefĂŒhrt haben die Anlagen Garaventa, Leitner und Bartholet, alle mit Steuerungen von der Frey AG Stans oder der Sisag AG. Immer mit dabei: Antriebe von ABB.