Energietechnik | 14. Januar 2019
Unter Spannung
Modernisierung des Unterwerks Vorziers in Martigny
Vergangenes Jahr wurde ein Unterwerk in Martigny bei laufendem Betrieb umgebaut. about begleitete den Ingenieur, der die neue Anlage unter Strom setzte. Eine Reportage aus dem Unterwallis.
ist ein Walliser Energieunternehmen mit Sitz in Sitten. Es ist in den Bereichen Stromproduktion aus Wasserkraft, überregionale Verteilung und Vermarktung von Strom tätig. Ausserdem verantwortet FMV die Geschäfts- und Betriebsführung der regionalen Netzbetreiberinnen Valgrid und B-Valgrid.
www.fmv.ch
Vier Jahre hat er auf diesen Moment hingearbeitet. Anderen stünde die Anspannung inzwischen ins Gesicht geschrieben. Doch Johann Mathieu, Netzingenieur von FMV, bewahrt einen kühlen Kopf. Es ist der 8. Oktober 2018, der Tag, an dem das neue 65/16-kV-Unterwerk Vorziers in Martigny vollständig ins Stromnetz eingebunden wird. Mathieu weiss, dass nichts schiefgehen kann. Schliesslich haben er und sein Projektteam die letzte Etappe der Inbetriebnahme genau durchgeplant und mehrfach getestet. Bevor er also die Spannung auf das neue Unterwerk leitet, hält der junge Ingenieur einen Moment inne, um die Geschichte zu erzählen, die ihn bis hierher brachte.
«Wir wollten möglichst viele Schritte des Engineerings selbst durchführen und die Schaltanlage genau auf unsere Bedürfnisse ausrichten.»
Platzbedarf halbiert
«Fast 50 Jahre hat diese alte Hochspannungsschaltanlage ihren Dienst getan», sagt Mathieu und deutet auf das Feld von hoch umzäunten Isolatoren unter freiem Himmel. «Für die Lebensdauer solcher Anlagen ist das ein stolzes Alter.» Um die veraltete Technik auf den neuesten Stand zu bringen, entscheidet die regionale Netzbetreiberin B-Valgrid 2014, das Unterwerk zu modernisieren. Mathieu, ein frisch erworbenes Ingenieurdiplom in der Tasche, wird mit der Gesamtprojektleitung beauftragt. Mit einem kleinen Team realisiert er erst ein strategisches Konzept, dann die Detailplanung und schliesslich die Umsetzung des Millionenprojekts. «Wir wollten möglichst viele Schritte des Engineerings selbst durchführen und die Schaltanlage genau auf unsere Bedürfnisse ausrichten», erklärt Mathieu. «Die Anlage sollte luftisoliert bleiben; allerdings wollten wir sie neu in einem Gebäude unterbringen.» Das hat einen positiven Nebeneffekt: Durch die Modernisierung kann der Platzbedarf der Anlage halbiert werden.
«Der Werksbesuch hat uns Sicherheit gegeben, dass wir uns für den richtigen Lieferanten entschieden haben.»
Keine Verzögerung
«Im öffentlichen Ausschreibungsverfahren haben wir uns bei der Hochspannungstechnik für ABB als Produktlieferantin entschieden. Die Offerte war preiswert und die Leistungsschalter haben unsere Ansprüche sogar leicht übertroffen», sagt Mathieu. Produziert werden die Schalter im ABB-Werk in Cordoba, Spanien. Bei der Fabrikabnahme kann sich Mathieu einen eigenen Eindruck von der Produktionsqualität machen. «Der Werksbesuch hat uns Sicherheit gegeben, dass wir uns für den richtigen Lieferanten entschieden haben», sagt er rückblickend. Auf der über 1700 km langen Anlieferungsfahrt ins Unterwallis geschieht ein Missgeschick: Einer der acht Schalter kippt um. «ABB hat sehr gut reagiert. Der Transporteur hat den Schalter gleich wieder mitgenommen und dafür gesorgt, dass er nochmals umfassend getestet wurde. Schliesslich konnten wir die Anlage trotz des Vorfalls wie geplant fristgerecht fertigstellen», erklärt Mathieu. Inzwischen ist alles getan, was getan werden muss: FMV-Mitarbeitende haben die Schalter fachgemäss installiert, die Sekundärtechnik parametriert und die Sicherheitsschranken kontrolliert. Um 14:08 Uhr hält Mathieu die Luft an und legt den letzten Schalter um. In einer Hundertstelsekunde fliesst der Strom durch die Schalter und mit dem einmaligen, lauten Knall macht das regionale Verteilnetz im Unterwallis den Schritt in eine noch flexiblere und sicherere Energiezukunft.
Wie üblich bei Unterwerksumbauten, wurde im Projekt in Martigny die Sekundärtechnik komplett erneuert. «Die Schutz- und Leittechnik ist so etwas wie das Nervenzentrum der Anlage», erklärt Pierrick Grenier, Verkaufsingenieur von ABB Schweiz. «Fällt zum Beispiel ein Baum auf eine Freileitung, sorgt die Schutztechnik dafür, dass sich die Leistungsschalter der betroffenen Leitung innerhalb eines Sekundenbruchteils öffnen. Damit wird das betroffene Netzsegment vom restlichen Versorgungsnetz getrennt.» Das kann je nach Netzstruktur zwar zu einem lokalen Stromausfall führen, schützt aber sowohl die Menschen in der Nähe der Unfallstelle als auch die Netzinfrastruktur und den Transformator im Unterwerk vor schwerwiegenden Schäden. «Gleichzeitig schickt die Leittechnik eine Fehlermeldung an die Netzleitstelle von FMV, welche wiederum den 24/7-Pikettdienst aufbietet, damit die Störung schnellstmöglich behoben werden kann», sagt Grenier. Zusätzlich überwacht das Leitsystem alle angeschlossenen Schutz- und Steuergeräte und protokolliert auch andere, weniger schwerwiegende Vorfälle. Die Datenauswertungen aus dem Leitsystem helfen dem Netzbetreiber, frühzeitig auf potenzielle Störungsquellen aufmerksam zu werden. «In diesem Sinne trägt die Sekundärtechnik massgeblich zur zuverlässigen Energieversorgung der Region in und um Martigny bei», schliesst Grenier.