Energietechnik | 27. April 2018

Wasserbatterie in der Windkraftanlage

Neuartiges Konzept für flexible Stromversorgung

Bei der Wasserbatterie im süddeutschen Gaildorf wird erstmals weltweit ein Pumpspeicherkraftwerk in einen Windpark integriert. Premiere auch für ABB-Windturbinenumrichter: Sie kommen erstmals in einem Wasserkraftwerk zum Einsatz. Projektleitung und Engineering dafür werden bei ABB in Turgi geleistet.

Der Naturstromspeicher Gaildorf ist Pilotprojekt für die Wasserbatterie, ein neuartiges Konzept, das eine flexible Stromversorgung sicherstellen soll. Bei diesem sogenannten Flexibilitätskraftwerk wird ein Windpark mit einem Pumpspeicherkraftwerk kombiniert.

Die Windenergieanlagen wurden bereits auf dem Höhenzug der Limpurger Berge installiert und können eigenständig betrieben werden. In drei der vier riesigen Konstruktionen – mit einer Gesamthöhe von bis zu 246 m sind sie die höchsten Windtürme der Welt – werden die Turmfundamente als Wasserspeicher genutzt. Das Unterbecken liegt rund 200 m tiefer im Tal des Flusses Kocher.

Durch Pumpbetrieb lassen sich Überschüsse im Netz kurzfristig zwischenspeichern: Dann wird Wasser aus dem Unterbecken den Berg hinaufgepumpt. Verlangt das Netz Energie, lässt man das Wasser wieder hinabfliessen – und produziert dabei mittels eines Kraftwerks Strom. Die Anlage zeichnet sich dadurch aus, dass die Umschaltung zwischen beiden Betriebsmodi besonders schnell möglich ist. Damit entsteht in Gaildorf eine grosse Batterie auf Wasserbasis, die als Kurzzeitspeicher dient und das Stromnetz in Zukunft stabil halten soll.

Durch Pumpbetrieb lassen sich Überschüsse im Netz kurzfristig zwischenspeichern.

So funktioniert’s

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Stufenlose Regelbarkeit

Die im aargauischen Turgi entwickelten Mittelspannungswindturbinenumrichter vom Typ PCS6000 spielen in diesem Premierenprojekt eine entscheidende Rolle. Aber nicht im Windpark, sondern im Pumpspeicherkraftwerk: Mithilfe der ABB-Technologie wird die Wasserbatterie stufenlos regelbar und kann damit sehr effizient die nötige Regelenergie für die Netzstabilität zur Verfügung stellen.

«Für die spezifischen Netzanforderungen eignet sich der PCS6000 am besten, auch wenn er erstmals für ein Wasserkraftwerk eingesetzt wird», erklärt Timo Döscher, Projektleiter bei ABB in Turgi. Das «Durchfahren» von kurzzeitigen Spannungseinbrüchen ist von Haus aus eine Funktion des Mittelspannungsfrequenzumrichters. Auch das Umschalten vom Generator- auf den Motorenbetrieb ist kein Neuland. Selbst in einer Windturbine wird der Generator bisweilen zum Motor, um beispielsweise die Rotorblätter für den Service auszurichten.

«Die Anpassung an das neue Einsatzgebiet für den PCS6000 geschieht primär softwareseitig», so Döscher. Damit wird ein möglichst schnelles Umschalten zwischen Motor- und Generatorbetrieb erreicht; der Umrichter kann das innert Sekunden. In Gaildorf werden im Laufe des Jahres drei PCS6000 mit einer Leistung von je 6,1 MW im Maschinenhaus des Pumpspeicherkraftwerks installiert. Es soll im Sommer 2019 ans Netz gehen.

Synergien schaffen

Alexander Schechner hat das Projekt initiiert und ist einer der beiden Geschäftsführer der Naturspeicher GmbH, einer Beteiligung der Firmengruppe Max Bögl, die auch für den ganzen Hoch- und Tiefbau des Kraftwerks verantwortlich ist. Er erläutert: «Klassische Pumpspeicherkraftwerke bedeuten grosse Eingriffe in die Naturräume, sehr hohe Investitionen und lange Planungszeiten. Die Idee der Wasserbatterie besteht darin, den Pumpspeicher kleiner und naturverträglicher zu machen und eine Synergie zu schaffen.» Wo also Windkraftanlagen bewilligt sind, lässt sich meist der unmittelbare Standort gleich auch als Oberbecken für ein Pumpspeicherkraftwerk nutzen.

«Das Pilotprojekt Naturstromspeicher Gaildorf wird dem Seriengedanken der Wasserbatterie gerecht», so Schechner. Man könne den Naturstromspeicher einfach bestellen und bauen. Der Betreiber habe den Vorteil, dass der Lieferant dieses Kraftwerk zehn- oder hundertmal baue und ihm auch ein Servicekonzept dazu bieten könne. Dafür habe man die vier wesentlichen Bausteine – die Windtürme mit den wasserspeichernden Fundamenten, das Druckrohr, das in drei Leistungsklassen verfügbare Pumpspeicherwerk und das untere Becken – quasi neu entwickelt. Dieser Naturstromspeicher passt sich den örtlichen Gegebenheiten an.

«Die Idee beim Naturstromspeicher besteht darin, den Pumpspeicher kleiner und naturverträglicher zu machen.»

Max Bögl Wind AG

ist Deutschlands Marktführer bei der Herstellung, Lieferung und Errichtung von Hybridtürmen ab 130 m Nabenhöhe. Auch im Bereich Stromspeicher setzt die Max Bögl Wind AG in technisch innovativer Weise neue Massstäbe. Mit der Wasserbatterie wurde ein völlig neuartiger Grossspeicher entwickelt, der erstmals die Produktion von Strom aus erneuerbaren Energien mit einem modernen Pumpspeicherkraftwerk kombiniert. Die Max Bögl Wind AG ist eine Tochtergesellschaft von Max Bögl. Die Firmengruppe aus Sengenthal zählt zu den Top 10 der grössten deutschen Unternehmen der Bauindustrie und ist seit 2010 im Bereich Wind aktiv. 1929 gegründet, erzielt das familiengeführte Unternehmen mit rund 6500 Mitarbeitern weltweit über 1,7 Mrd. Euro Jahresumsatz.