Infrastruktur | 6. Juli 2020

Neuer Antrieb für die wichtigste Pumpstation von Grande Dixence

Frequenzumrichter ACS6080 für den Refit der Maschinengruppe 5

In Z’Mutt im Mattertal steht die leistungsstärkste Pumpstation des einzigartigen Grande-­Dixence-Wasserkraftkomplexes. Eine der fünf Maschinengruppen wird nun erneuert – mit dem ersten in der Schweiz installierten, top­modernen Frequenzumrichter ACS6080 von ABB.

Grande Dixence ist den meisten in der Schweiz ein Begriff. Die gleichnamige, 1965 fertiggestellte Mauer, die den Lac des Dix aufstaut, ist noch immer die grösste Gewichtsstaumauer der Welt und mit 285 m das mit Abstand höchste Bauwerk der Schweiz.

Etwas weniger bekannt ist, in was für ein gewal­tiges Netzwerk an Druckleitungen, Pumpstationen und Kraftwerken der Lac des Dix eingebunden ist. Die Stollen für die Wasserleitungen im Felsen messen insgesamt rund 100 km. Vier Pumpstationen helfen mit, das Wasser aus 75 Fassungen für die Energiegewinnung in drei Kraftwerken zu nutzen. Insgesamt weist der Wasserkraftkomplex Grande Dixence eine Leistung von 2000 MW auf.

Von den vier Pumpstationen für Grande Dixence ist die im hinteren Mattertal gelegene Station Z’Mutt die leistungsstärkste.

Im Durchschnitt werden jährlich mehr als 2 Mrd. kWh elektrische Energie generiert, was dem Bedarf von etwa 500 000 Haushalten entspricht. Vor allem kann das leistungsfähigste Kraftwerk, Bieudron, mit einer Anlaufzeit von nur vier Minuten eine Menge an Strom ins Versorgungsnetz einspeisen, die der Leistung eines Kernkraftwerks entspricht – ein Grundpfeiler für die Gewährung der Netzstabilität in der Schweiz.

Von den vier Pumpstationen für Grande Dixence ist die im hinteren Mattertal auf knapp 2000 m ü. M. gelegene Station Z’Mutt die leistungsstärkste. Fünf Maschinengruppen sind hier installiert – primär, um Wasser in den Trift-Stollen auf 2400 m ü. M. zu pumpen, wo es dann weiter in den Lac des Dix fliesst.

Eine der Maschinengruppen dient als Reguliergruppe. Sie ist über einen Druckschacht mit dem höher gelegenen, unterirdisch installierten Ausgleichsbecken Bodmen verbunden, das ein Volumen von 2000 m³ aufweist. Diese Maschinengruppe wird erneuert und in ihrer Leistung von 3 auf 5,5 MW erweitert, um die Flexibilität des Wasserkraftkomplexes Grande Dixence zu erhöhen.

Zwei Pumpwerke in der Station

«Die Pumpstation Z’Mutt besteht eigentlich aus zwei Pumpwerken: Die Maschinengruppen 1 und 2 pumpen das Wasser aus dem Z’Mutt-Stausee direkt hoch zum Trift-Stollen. Die Gruppen 3 und 4 pumpen das Wasser von Bodmen aus – wo das Schmelzwasser des Bis- und des Schali­gletschers gefasst wird – zum Trift-Stollen», erklärt Nicolas Hugo, zuständiger Projektingenieur bei der Alpiq AG.

Die Maschinenreguliergruppe 5 unterstützt gewissermassen die Gruppen 3 und 4, indem sie Wasser aus dem Z’Mutt-See nach Bodmen hochpumpt, wenn dort zu wenig Schmelzwasser aus den Gletschern zufliesst. Gepumpt wird übrigens – bei Bedarf – nur im Sommerhalbjahr. Das Winterhalbjahr ist dem Turbinieren vorbehalten.

«Mit dem Retrofit der Maschinengruppe 5 können die Gruppen 3 und 4 flexibler betrieben werden», so Hugo. «Da wir dann mehr Wasser vom Z’Mutt-See nach Bodmen pumpen können, lassen sich die beiden grösseren Gruppen 3 und 4 mit weniger Stopps und Starts betreiben, was ihre technische Lebenserwartung erhöht.» Nach dem Retrofit kann die Reguliergruppe 3,6 m³/s statt wie heute 2 m³/s pumpen, bei einer Förderhöhe von rund 100 m. Die Gruppen 3 und 4 schaffen je 3,6 m³/s, bei einer Förderhöhe von 365 m.

Das Los 1 der Ausschreibung für die Erneuerung der Maschinengruppe 5 betraf das Frequenzumrichtersystem, bestehend aus einem Antrieb und einem Transformator. «Dafür haben wir unseren neuen Mittelspannungsumrichter ACS6080 offeriert», erläutert Roland Büchi, Projektmanager von ABB System Drives in Turgi.

«Mit dem Retrofit der Maschinen­gruppe 5 können die Gruppen 3 und 4 flexibler betrieben ­werden.»

Dieser zeichnet sich durch einen noch höheren Wirkungsgrad von über 99 % aus und bietet mit der neu entwickelten MP3C-Motorregelung erweiterte Funktionen: «Er ist bis zu einer Motorenfrequenz von 90 Hz ausgelegt. Der ACS6080 kann sich auch bei dieser Drehzahl auf die unmagnetisierte Maschine synchronisieren und die Rotorposition ohne Encoder richtig erkennen», erklärt Büchi. Das sei nur über die neue MP3C-Regelung möglich. ABB liefert auch den passenden Transformator für das Los 1, der zu den beiden unterschiedlichen Hochspannungsnetzen vor Ort passt, 10 kV und 20 kV. Teil der Lieferung ist auch ein zusätzlicher Vormagnetisierungstransformator von ABB.

Erneuerung der Maschinengruppe 5

«Die Erneuerung der Maschinengruppe 5 wurde in einem offenen Verfahren ausgeschrieben», so Hugo. Wie üblich, war der Preis ein wichtiges, aber nicht das einzige Zuschlagkriterium. «ABB hat uns insgesamt die überzeugendste, beste Offerte für das Los 1 unterbreitet und deshalb den Auftrag erhalten.» Es wird der erste ACS6080 sein, der in der Schweiz installiert wird.

Der neue Frequenz­umrichter wurde Ende Mai in die hochalpine Pumpstation geliefert.

ABB zeichnet für die Einführung der Systeme in der hochalpinen Kaverne, deren Verkabelung und Inbetriebsetzung verantwortlich. «Beim Umrichter wird das kein Problem sein. Der ist modular aufgebaut. Wir liefern ihn in drei Teilen an und bauen ihn vor Ort zusammen», so Büchi. Herausfordernder sei das beim Transformator. Der musste so designt werden, dass er durch den engen Zugangsstollen zum Maschinenhaus in Z’Mutt passt. Aufgrund der engen Platzverhältnisse ist er mit einer Wasserkühlung anstelle der üblichen Radiatoren ausgerüstet. Er wiegt 14 t, hat eine Leistung von 7 MVA und misst rund 3 x 3 x 2 m. Er transformiert 10 bzw. 20 kV auf 3160 V.

Die Einbringung des Umrichters und des Transformators soll im Sommer 2020 erfolgen, ehe dann Motor und Turbine folgen. Die Inbetriebsetzung ist für Frühling 2021 geplant, damit die Maschinengruppe 5 dann für die «Pump-Saison» im Sommerhalbjahr 2021 bereitsteht.

«ABB hat uns insgesamt die ­überzeugendste Offerte für Los 1 unterbreitet und deshalb den ­Auftrag erhalten.»

Die Coronakrise hatte bislang keinen grossen Einfluss auf dieses Grossprojekt. Der Factory Acceptance Test des Umrichters in Turgi wurde im April als «Remote-FAT» per Videostream und sprachlicher Interaktion durchgeführt. «Das hat wirklich gut geklappt», so Nicolas Hugo. Er wäre zwar gerne in Turgi gewesen, um einen Blick aus nächster Nähe auf den neuen Umrichter zu werfen, aber das Vertrauen in die Fachleute von ABB sei gegeben. «Die Zusammenarbeit mit ABB war aus meiner Sicht sehr gut; bis jetzt konnten auch alle Termine eingehalten werden», zieht der Alpiq-Projektleiter ein zufriedenes Zwischenfazit.

Weitere Infos: roland.buechi@ch.abb.com