Infrastruktur | 25. Oktober 2023

Von einem Monat zum nĂ€chsten fĂŒnfmal mehr Abwasser klĂ€ren

ARA Oberengadin setzt auf Frequenzumrichter von ABB

Im Oberengadin hat eine neue regionale Abwasserreinigungsanlage drei obsolete lokale KlĂ€ranlagen ersetzt. Übers Jahr fallen in diesem beliebten Tourismusgebiet höchst unterschiedliche Mengen an AbwĂ€ssern an. Diese Herausforderung meistern die Betreiber der modernen ARA in S-chanf, in der rund neunzig Frequenzumrichter und einige Softstarter von ABB eingesetzt sind.

Die neue Abwasserreinigungsanlage (ARA) fĂŒr die neun Gemeinden des Oberengadins wurde auf der sprichwörtlichen grĂŒnen Wiese in S-chanf realisiert, mit Baubeginn 2017. Sie ging – trotz pandemiebedingter Herausforderungen – wie geplant im Sommer 2021 in Betrieb und ersetzt drei lokale KlĂ€ranlagen aus den 1970er- und 1980er-Jahren, die den heutigen Anforderungen an die QualitĂ€t gereinigten Abwasser nicht mehr genĂŒgten. Eine Sanierung dieser drei bestehenden ARAs wĂ€re teurer geworden als der Neubau einer modernen Anlage, die mit 78,5 Millionen Franken zu Buche schlug.

Rund 90 Frequenzumrichter von ABB installiert

In der Ausschreibung fĂŒr die zahlreichen Frequenzumrichter in der neuen ARA erhielt ABB den Zuschlag. Rund 90 Frequenzumrichter des Typs ACS880  –  grösstenteils in der Technologie Low Harmonic – sind installiert, primĂ€r fĂŒr den Antrieb der Motoren fĂŒr Pumpen und GeblĂ€se. Diese Art Frequenzumrichter bietet den Vorteil, ohne zusĂ€tzliche Oberwellenfilter auszukommen. Die Einhaltung der relevanten Normen wurde von einer unabhĂ€ngigen Stelle messtechnisch bestĂ€tigt.

Die ABB-Frequenzumrichter in der ARA Oberengadin treiben primĂ€r die Motoren fĂŒr LĂŒftung und Pumpen an.

Dabei beschrĂ€nkte man sich auf fĂŒnf verschiedene Leistungsklassen der Umrichter im Leistungsbereich von 4 bis 55 Kilowatt, um den Service und allfĂ€lligen Austausch zu vereinfachen. «Die VerfĂŒgbarkeit unserer Anlagen hat hohe PrioritĂ€t fĂŒr uns. DafĂŒr haben wir die Systeme möglichst redundant aufgebaut und halten auch mehrere Frequenzumrichter auf Vorrat, um sie bei Bedarf selbst austauschen zu können», erklĂ€rt Godi Blaser, Betriebsleiter der neun ARA des Verbands Abwasserreinigung Oberengadin. Bei allen Anschaffungen fĂŒr die neue ARA habe man auf die Lebenszykluskosten geachtet.

Einzigartiges Einzugsgebiet

Die Installation und Inbetriebsetzung der Frequenzumrichter und Softstarter sei in fruchtbarer Zusammenarbeit mit ABB erfolgt. «Wenn ich eine Frage hatte, kam eine Lösung von ABB», so Blaser, der den direkten Draht zu den ABB-Fachleuten in der Schweiz schÀtzt.

«Wenn ich eine Frage hatte, kam eine Lösung von ABB»

«Unser Einzugsgebiet ist fĂŒr die Abwasserbewirtschaftung wohl einzigartig in der Schweiz», verdeutlicht Blaser. Gemeinden wie St. Moritz, Samedan oder Pontresina sind beliebte Feriendestinationen von internationalem Renommee. Vor allem in der winterlichen Hochsaison um die Festtagszeit bleibt kaum ein Hotelzimmer frei.

Von 20’000 auf 110’000 Einwohnerwerte

Als Illustration ein paar Zahlen allein zu St. Moritz: Die weltbekannte Gemeinde zĂ€hlt 5200 ganzjĂ€hrige Einwohner, aber ĂŒber 5300 Hotelbetten sowie rund 7500 Betten in Ferienwohnung. Ausserdem arbeiten hier in der Saison zusĂ€tzlich 2500 Angestellte. Entsprechend unterschiedlich fallen die Abwassermengen aus.

Die neue Abwasserreinigungsanlage in S-chanf liegt direkt am Inn. Das gereinigte Wasser wird aber zuerst in das Kanalsystem der Engadiner Kraftwerke gepumpt.

«Anfang November, wenn im Tourismussektor am wenigsten lĂ€uft, kommen bei uns Schmutzfrachten an, die etwa 20’000 Einwohnerwerten entsprechen. In der Hochsaison Ende Dezember bewĂ€ltigen wir in der Spitze die Fracht von bis zu 110’000 Einwohnerwerten», erklĂ€rt Blaser.

Grosse Herausforderung fĂŒr biologische Reinigungsstufe

Diese gewaltigen Unterschiede stellen die Infrastruktur der ARA vor erhebliche Herausforderungen – vor allem die biologische Reinigungsstufe bei geringem Eintrag: «Die Mikroorganismen brauchen stetig Nahrung. Sonst geht ihre Population zurĂŒck, und es sind zu wenige im Becken, wenn die umfangreichen Schmutzfrachten ankommen.»

Godi Blaser (rechts) im GesprÀch mit Ueli Spinner, Verkaufsingenieur Antriebe und Motoren bei ABB Schweiz.

In der biologischen Reinigungsstufe wandeln die Mikroorganismen das im Abwasser enthaltene Ammonium zuerst in Nitrat um und bauen es anschliessend zu elementarem Stickstoff ab, das als Gas in die AtmosphĂ€re entweicht. «Damit eine genĂŒgende Masse an Mikroorganismen zur VerfĂŒgung steht, wenn wir sie brauchen, zĂŒchten wir sie in Zeiten besonders geringer Schmutzfracht zusĂ€tzlich mit Faulwasser aus einem unserer drei FaultĂŒrme an», so Blaser.

Betrieb so energieeffizient wie möglich gestalten

Das ist nur ein Beispiel, das die KomplexitĂ€t der Regelung dieser Abwasserreinigungsanlage aufzeigt. Allein fĂŒr die Steuerung der biologischen Stufe verarbeitet das Leitsystem 1200 Parameter. «Wir lernen immer noch dazu, optimieren es – auch, um unseren Betrieb so energieeffizient wie möglich zu gestalten», sagt Blaser.

«Ohne moderne Frequenzumrichter gibt es keine intelligente Automationslösung»

«Ohne moderne Frequenzumrichter gibt es keine intelligente Automationslösung», so Blaser. Die Informationen aus den ABB-Antrieben fliessen auch in das Leitsystem zurĂŒck. «Wir haben es nun zwei Jahre lang in Betrieb und stetig verbessert. Ich denke, in zwei weiteren Jahren sollten wir es optimiert haben.» Es sei jedenfalls von Vorteil gewesen, dass die Erfahrungen seines Teams mit den Besonderheiten der Abwasserreinigung im Oberengadin schon in der Planungsphase BerĂŒcksichtigung fanden.

Zur ARA fliesst weniger Meteorwasser

Die neue ARA in S-chanf ist insgesamt auf einen geringeren Einwohnerwert ausgelegt als es die drei ursprĂŒnglichen lokalen ARAs in der Summe waren. Hauptgrund dafĂŒr: Die TrĂ€gergemeinden haben in den letzten 50 Jahren ihre Kanalisationssysteme erweitert und erneuert. Dabei achteten sie auf eine möglichst konsequente Trennung von Regen und Schmelzwasser vom verschmutzten Abwasser.

Das gereinigte Abwasser wird nicht in den Inn geleitet, der gleich neben der ARA fliesst, sondern in das Kanalsystem der Engadiner Kraftwerke ĂŒber eine Höhendifferenz von 10 Metern hochgepumpt und damit Wasserkraftwerken zugefĂŒhrt. Es gelangt erst nach der Grenze zu Österreich in den Inn.

Bis 80 Prozent Eigenversorgungsgrad bei elektrischer Energie

Ein Kraftwerk ist auch in der ARA selbst installiert. Das Blockheizkraftwerk verwertet das anfallende Biogas aus dem ausgefaulten KlĂ€rschlamm. Damit kann die ARA bis zu 80 Prozent des eigenen Strombedarfs selbst produzieren. Die Gasversorgung des Blockheizkraftwerks wie auch die eigene IT-Infrastruktur sichern zwei Systeme zur unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) von ABB gegen NetzunterbrĂŒche ab.

Die beiden Systeme zur unterbrechungsfreien Stromversorgung von ABB sichern die IT und das Kraftwerk in der ARA Oberengadin ab.

Auf dem Dach der neuen ARA betreibt zudem Repower auf 5800 Quadratmetern die grösste Solaranlage des Engadins. Mit einer installierten Leistung von 1,1 Megawatt peak kann sie den durchschnittlichen Stromverbrauch von 325 Haushalten bedienen.

Bemerkenswerte Sarinera

Die Sarinera Engadin’Ota, wie sie auf RĂ€toromanisch heisst, ist eine in vielerlei Hinsicht bemerkenswerte Abwasserreinigungsanlage – dort, wo wir UnterlĂ€nder gerne Ferien verbringen,