Industrie | 13. MĂ€rz 2024

Schoggihasen perfekt in Form geschleudert

HALBA in Pratteln hat eine neue «Hasenanlage» in Betrieb genommen. Mit der voll automatisierten Linie von AWEMA kann sie bis zu 120 Schokoladenhasen pro Minute produzieren. Integrator Marti Systeme hat dafĂŒr zwei ABB-Roboter installiert und programmiert, damit die Leckereien perfekt synchronisiert in Form geschleudert werden.

Die Schweiz ist das Schokoladenland par Excellence, auch wenn der wichtigste Rohstoff fern von uns gedeiht. Hier wurden sowohl zartschmelzende Schokolade wie auch Milchschokolade erfunden. Die Schweiz ist weltbekannt fĂŒr die hier produzierte Schoggi. Und wir weisen den höchsten Pro-Kopf-Konsum ĂŒberhaupt auf.

Rund 20’000 Tonnen Schokolade werden hier jĂ€hrlich produziert

«Was Hohlfiguren aus Schokolade betrifft, sind wir ein absolutes Osterhasenland», erklĂ€rt Valentin Thöny, Leiter Engineering bei HALBA. WĂ€hrend in anderen LĂ€ndern beispielsweise auch WeihnachtsmĂ€nner aus Schokolade stark nachgefragt werden, seien die Schweizerinnen und Schweizer in dieser Beziehung fast ganz auf Ostern ausgerichtet. Deshalb wird die neue Produktionslinie der Einfachheit halber «Hasenanlage» genannt, auch wenn sich damit Schokoladen-Hohlfiguren beliebiger Form – sowohl mit als auch ohne Schminkdekoration – herstellen lassen.

«Was Hohlfiguren aus Schokolade betrifft, sind wir ein absolutes Osterhasenland»

HALBA ist eine Division der Coop Genossenschaft. Sie entstand 2017 aus einer Fusion von Chocolats Halba mit Sunray, bekannt fĂŒr NĂŒsse und Snacks. Deren einziger Produktionsstandort ist Pratteln. Schokolade – insgesamt rund 20’000 Tonnen jĂ€hrlich – produziert HALBA primĂ€r fĂŒr Coop selbst, wobei rund ein Drittel der Produkte in den Export geht.

Die Vorteile der Automatisierung

UrsprĂŒnglich wollte HALBA eine teils manuell bediente bestehende Anlage zur Produktion von Schokohasen automatisieren lassen, entschied sich dann aber aus EffizienzgrĂŒnden, auf eine neue Linie zu setzen und holte Angebote ein. Der Auftrag ging schliesslich an AWEMA. Das Unternehmen im thurgauischen Oberneunforn hat sich auf die Realisierung von massgeschneiderten Anlagen fĂŒr die SĂŒsswarenindustrie spezialisiert und ist fĂŒr Schokoladenhersteller weltweit im Einsatz.

Bei HALBA sind zwei ABB-Roboter fĂŒr die BestĂŒckung der Hohlkörperschleudern installiert.

In der Schokoladenindustrie erfolgt das Be- und Entladen der Hohlkörperschleudern bisher mehrheitlich manuell. Diese eher monotone Arbeit ist körperlich sehr fordernd und schlĂ€gt fĂŒr die Unternehmen in laufenden Kosten zu Buche. Durch die Automatisierung verringern sich die laufenden Produktionskosten der Anlage. Gleichzeitig kann das Personal fĂŒr Arbeiten eingesetzt werden, die dem Unternehmen einen grösseren Nutzen stiften – und fĂŒr die Mitarbeitenden interessanter sind.

Produktionslinie dieser Grösse ist immer eine Sonderanfertigung

«Von Bestellung bis Inbetriebsetzung im Februar 2023 verging lediglich ein Jahr. Dabei ist eine so grosse Schokoladenlinie immer eine Sonderanfertigung. Das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten muss genau auf die KundenwĂŒnsche ausgerichtet werden», erklĂ€rt Erwin Bucheli, verantwortlich fĂŒr das Marketing bei AWEMA.

«Von Bestellung bis Inbetriebsetzung im Februar 2023 verging lediglich ein Jahr.»

Nach dem Schminken der Osterhasen und dem Eingiessen der flĂŒssigen Schokolade ist das Schleudern der Hohlkörper ein entscheidender Schritt. Damit wird der Hase in Form gebracht. Das BestĂŒcken der Schleudern – bei manueller Leistung eine sehr eintönige Arbeit – sollte in der neuen Linie von Robotern in enger Taktzeit ausgefĂŒhrt werden. DafĂŒr kontaktierte AWEMA die Marti Systeme AG in UnterĂ€geri, eine Spezialistin fĂŒr robotergestĂŒtzte Automationstechnik.

Zwei Roboter mit Traglast von 155 kg und Reichweite von 2,85 m im Einsatz

«Wir setzen fĂŒr unsere Automationslösungen primĂ€r ABB-Roboter ein, sind als â€čABB Value Providerâ€ș ein autorisierter Partner», so Nils Anderer, Projektleiter Robotik bei Marti Systeme. FĂŒr die BestĂŒckung der Hohlkörperschleudern des Typs HFR-186 – in der neuen Linie sind zwei nebeneinander installiert – evaluierte er den IRB 6700 von ABB als geeigneten Roboter, kombiniert mit der Verfahrachse IRBT 6004, um den Robotern fĂŒr diese komplexe Aufgabe mit einem zusĂ€tzlichen Freiheitsgrad auszustatten.

Der sechsachsige IRB 6700 ist ein robuster, wartungsarmer Industrieroboter der 7. Generation von ABB. Er gilt als leistungsfĂ€higster Roboter mit den niedrigsten Gesamtbetriebskosten in der 150–300 Kilogramm-Klasse. In Pratteln stehen zwei IRB 6700 mit einer Traglast von 155 kg und einer Reichweite von 2,85 m zum Einsatz – die durch die Bewegung auf der Verfahrachse erweitert wird.

Greifwerkzeug kann beidseitig je zwei Gussformen greifen

Die hohe TraglastfĂ€higkeit mag beim Handling von Schokoladehohlkörpern erstaunen. Doch allein das raffinierte, spezifisch fĂŒr diesen Einsatz von Marti Engineering konstruierte Greifwerkzeug wiegt rund 100 kg. Damit lassen sich beidseitig je zwei Gussformen greifen. So kann der Roboter in einem Arbeitsschritt ausgehĂ€rtete Formen von der Schleuder entnehmen und diese – mit einer 180-Grad-Drehung des Greifwerkzeugs – mit den zuvor vom Förderband aufgenommenen neuen Formen bestĂŒcken.

Das raffiniert konstruierte Greifwerkzeug fĂŒr diese Anwendung.

Der Roboter setzt die Formen gleich nach Aufnahme in Rotation, damit sich die Schokolade bereits in dem Schritt zu verteilen beginnt. Er muss dann mit dem Arm exakt die Drehung der Schleuder nachverfolgen, um Formen davon zu entnehmen und die neuen aufzusetzen. Und das nach einem ausgeklĂŒgelten Belegungsmuster, um die Formen zur richtigen Zeit – je nach Produkt nach sieben bis zehn Minuten auf der Schleuder – zu entfernen und zur Weiterverarbeitung aufs Förderband zu legen. «Dies zu programmieren ist sehr anspruchsvoll. Die ABB-Software RobotStudio, mit der sich das zuerst simulieren lĂ€sst, hat uns dabei sehr geholfen. Aus meiner Sicht ist diese Simulationssoftware einzigartig. Die vorgĂ€ngigen Simulationen waren auch bei der Inbetriebsetzung ĂŒberaus hilfreich», erklĂ€rt Anderer.

Roboter mĂŒssen Zyklus von 24 Sekunden einhalten

Nach dem Eingiessen der Schokolade in die Form mĂŒssen die Formen möglichst schnell Rotation versetzt werden, damit sich die Masse gleichmĂ€ssig verteilen kann. Entscheidend im Gesamtablauf war, die angestrebte Zykluszeit zu erreichen. «So mĂŒssen die Roboter einen Zyklus von 24 Sekunden einhalten, in dem sie neue Formen aufnehmen, geschleuderte Formen von der Anlage greifen, die neuen aufsetzen, die bearbeiteten auf das Förderband legen und wieder neue aufnehmen», rechnet Thöny vor.

«Wir sind mit dieser vollautomatischen Anlage sehr zufrieden; sie lÀuft so, wie wir uns das vorgestellt haben, exakt getaktet.»

Die Gesamtanlage darf nie stillstehen. Jede kleine Störung kann langwierige Folgen haben. Logisch, denn die flĂŒssige Schokolade, die mit rund 32° Celsius in die Formen gegossen wird, erstarrt nach einer Weile. Hat der Schleudervorgang nicht wie vorgesehen funktioniert, entsteht Ausschuss.

Gute Voraussetzungen fĂŒr genussreiche Ostertage

Die Schokoladenlinie lĂ€uft rezeptgesteuert. Im Leitsystem sind rund 70 Produkte mit ihren Parametern gespeichert, in ihrer Mehrheit Schoggihasen unterschiedlicher Grösse, Zusammensetzung und Aussehen. RezeptabhĂ€ngig verarbeitet diese neue Hasenlinie 100 bis zu 700 kg Schokolade pro Stunde. Meist rund um die Uhr. Vollautomatisch. «Es ist lediglich jeweils ein LinienfĂŒhrer vor Ort, der ein Auge auf die Gesamtproduktion wirft, bis hin zur Verpackungsstation», so Thöny.

Ostern kann kommen.

In einer neuen, spezifisch konstruierten, komplexen Anlage wie der Hasenlinie bei HALBA sind immer technische «Kinderkrankheiten» zu bewĂ€ltigen. «Die hielten sich aber in Grenzen», erklĂ€rt Thöny. «Wir sind mit dieser vollautomatischen Anlage sehr zufrieden; sie lĂ€uft so, wie wir uns das vorgestellt haben, exakt getaktet.» Das sind gute Voraussetzungen fĂŒr genussreiche Ostertage 2024.