| 6. September 2016
Ideen entwickeln statt Bier brauen
Innovationsquartier auf dem Cardinal-Gelände
Für eine Forschungsplattform in Fribourg hat ABB die komplette Gebäudeautomation mit KNX sowie die Niederspannungsversorgung geliefert. Eine fruchtbare Zusammenarbeit im Dienst der Forschung.
Nur ein historisches Gebäude beim Eingang, das ehemalige Malzsilo und der Kamin erinnern noch daran, dass auf dem grossen Areal unweit des Bahnhofs von Fribourg einmal eine Brauerei betrieben wurde. Die Bierproduktion von Cardinal wurde 2011 eingestellt. Der Kanton und die Stadt Fribourg kauften daraufhin das Gelände und die 2014 gegründete Bluefactory Fribourg-Freiburg AG verfolgt seither das Ziel, das Gelände in ein Innovationsquartier umzugestalten und dessen Förderung sicherzustellen.
Die Blaue Halle
In der ehemaligen Bierlagerhalle steht nur noch die Stahlkonstruktion; alles andere ist neu: die Wände, das transparente Dach, die Innenausstattung. Heute heisst sie «La halle bleue», die Blaue Halle, und wurde im Dezember 2015 mit ihren 3000 m² in Betrieb genommen.
Im Innern stehen 126 farbenfrohe, genormte Einheiten auf drei Stockwerken, die völlig unabhängig voneinander beheizt oder gekühlt werden können. «Es wäre unmöglich, die ganze Halle zu heizen; so funktioniert jede Box unabhängig», kommentiert Henri Pilloud, Verantwortlicher für Gebäude und Technik bei Bluefactory. Die Lebensdauer des modularen Systems wird auf mindestens 20 Jahre geschätzt. «Anschliessend werden die Container entweder weiterverwendet oder verkauft», erläutert Henri Pilloud weiter. Eine Photovoltaikanlage mit 1500 Solarzellen versorgt das Gebäude mit elektrischer Energie. Es ist so gebaut, dass der Energiebedarf vollständig durch erneuerbare Energien gedeckt wird. Das ganze Gebäude verbrauche nicht mehr Energie als zwei Einfamilienhäuser.
Wissenschaftliche und technologische Kompetenzzentren haben sich hier niedergelassen; sie widmen sich dem Lebensraum der Zukunft (wie das Smart Living Lab), der Gesundheit, der Biotechnologie und technischen Sicherungssystemen. Für die Forschungsprojekte wird eng mit der Hochschule für Technik und Architektur Freiburg zusammengearbeitet. Weiter steht eine grosse Forschungshalle für den Aufbau einzelner Projekte zur Verfügung. So wird hier auch der Prototyp für ein Zukunftshaus von Smart Living Lab für den Wettbewerb von Solar Decathlon 2017 errichtet (siehe Kasten). Aktuell arbeiten und forschen bereits rund 200 Fachkräfte in der Blauen Halle.
Gute Partnerschaft
Marc Vial, Projektverantwortlicher von ABB, ist stolz auf das Projekt. «Dieser Forschungsplatz hat bei der Universität Fribourg wie auch der EPFL in Lausanne viel von sich reden gemacht», erzählt er. «Hier wird eine neue Form der Minergie demonstriert. ABB hat vergangenes Jahr diesen Auftrag erhalten, weil unser Material genau den Anforderungen entsprach.» Dieses umfasst die komplette Gebäudeautomation mit KNX sowie die Niederspannungsverteilung. Trotzdem sei dies eine neue Form der Zusammenarbeit gewesen. «Bei diesem Auftrag standen wir immer wieder vor Herausforderungen, die wir gemeinsam mit dem Kunden gelöst haben.»
Dies bestätigt auch Cédric Allemann des beauftragten Ingenieurbüros der Bluefactory. «Nicht alle Komponenten bei diesem innovativen Projekt waren von Anfang an klar», erläutert er. «Wir haben hier als Partner zusammengearbeitet und die nächsten Schritte immer wieder gemeinsam definiert.» Dass ABB ein Büro in Lausanne hat, sei von grossem Vorteil gewesen. «Wir haben die Kompetenz und die schnelle Reaktion der ABB-Experten bei aufkommenden Fragen sehr geschätzt», ergänzt Allemann.
Mit KNX werden Licht und Klima nicht nur gesteuert. Die gesamte Automationsinstallation in der Blauen Halle liefert mit ihren Sensoren auch genaue Daten über die tatsächliche Nutzung und den Verbrauch. «Viele Aspekte im ‹Lebenszyklus› eines Gebäudes sind noch wenig erforscht», so Allemann. «Hier wird unter anderem eine Gesamtbetrachtung angestrebt: Lohnt es sich tatsächlich, eine Wohneinheit mit viel Aufwand fast perfekt zu isolieren? Darin steckt ja auch viel Energie.» Die genauen Daten über die tatsächliche Nutzung und den Verbrauch sollen neue Anhaltspunkte für die Gesamtanalyse bringen.
Bluefactory
Das Projekt Bluefactory wurde 2012 ins Leben gerufen, als Kanton und Stadt Fribourg beschlossen, das Gelände der Cardinal-Brauerei zu gleichen Teilen zu erwerben. Die 2014 gegründete Bluefactory Fribourg-Freiburg AG hat den Auftrag, den Standort in ein Innovationsquartier umzugestalten sowie für dessen Förderung, Weiterentwicklung und Betrieb zu sorgen. Es werden ausschliesslich wissenschaftlich ausgerichtete Unternehmen oder Plattformen aufgenommen, die auf innovative Technologien ausgerichtet sind oder auf nachhaltige Entwicklung oder Umweltschutz setzen.
Weitere Infos: www.bluefactory.ch
Solar Decathlon
Der Solar Decathlon ist ein internationaler architektonischer sowie energietechnischer Wettbewerb. Studierende müssen ein energieautarkes Gebäude für das Wohnen der Zukunft entwickeln. Für den Wettbewerb 2017 in Denver bewirbt sich das Team Schweiz (bestehend aus Ecole Polytechnique Fédérale EPFL, Lausanne, Hochschule für Technik und Architektur Freiburg HEIA-FR, Hochschule für Kunst und Design HEAD, Genf, und Universität Fribourg). Der Prototyp wird in der Forschungshalle der Bluefactory errichtet.
Weitere Infos: www.solardecathlon.gov