Interview | 26. September 2017
âZentraler Hebel ist die Schnellladeinfrastrukturâ
Prof. Dr. Stefan Bratzel im Interview
Im Interview erlĂ€utert Prof. Dr. Stefan Bratzel, wie die E-MobilitĂ€t den Verkehr der Zukunft bestimmt und wie E-Autos ein Teil des Ăkosystems von MobilitĂ€ts- und Energiedienstleistungen werden.
Welche Bedeutung hat E-MobilitĂ€t fĂŒr den Verkehr der Zukunft?
Die E-MobilitÀt wird den Verkehr der Zukunft in den Metropolen massgeblich prÀgen. Sie ist verbunden mit der langfristigen Vision von Zero-Emissions. Aber auch die einstweilige, zumindest lokale Emissionsfreiheit von E-Autos verbessert in vielen StÀdten die LuftqualitÀt. Aus CO2-Sicht ist E-MobilitÀt jedoch nur dann sinnvoll, wenn der Strom grossteils regenerativ erzeugt wird.
Wie schÀtzen Sie den Stand der E-MobilitÀt in Deutschland ein?
Deutschland liegt bei der E-MobilitĂ€t im internationalen Vergleich nur im Mittelfeld. Die Nachfrage bewegt sich â trotz PrĂ€mie â mit einem Marktanteil von 0,75 % im Jahr 2016 noch auf einem sehr niedrigen Niveau. In den vergangenen Monaten ist immerhin eine leichte Belebung erkennbar. Das liegt an dem ungelösten Problemsyndrom der ElektromobilitĂ€t, das wir vor Jahren R.I.P. genannt haben: Reichweite â Infrastruktur â Preis. Die E-MobilitĂ€t leidet eben nicht an einem Nachfrageproblem, sondern eher an einem Angebots- oder Technologieproblem: Bis vor kurzen hatte die E-MobilitĂ€t bei den deutschen Herstellern nur eine geringe Relevanz. Das hat sich jedoch mittlerweile geĂ€ndert und die Probleme werden angepackt.
Welche wirtschaftlichen und politischen Bedingungen beeinflussen die E-MobilitÀt?
Wir sehen in LĂ€ndern wie Norwegen oder China, dass ein E-Auto-freundliches Regulationsumfeld die Nachfrage deutlich belebt. China macht aus seinen politischen und wirtschaftlichen Zielen bei der E-MobilitĂ€t keinen Hehl und fördert die Technologie entsprechend massiv â auch und gerade, weil es sich dadurch neben der Lösung der LuftqualitĂ€tsprobleme in den StĂ€dten auch wirtschaftliche Vorteile fĂŒr seine Autoindustrie verspricht. Ăhnlich muss auch in Deutschland das Thema als grosse Chance begriffen und beherzt weiterentwickelt werden.
Welche sind heute die wichtigsten technischen Voraussetzungen fĂŒr den Ausbau der E-MobilitĂ€t?
Zentraler Hebel fĂŒr nachhaltige Nachfragesteigerungen sind die Reichweite der Fahrzeuge und der Aufbau einer Infrastruktur, die als System verstanden werden muss. Bei einer dichten und zuverlĂ€ssigen Schnellladeinfrastruktur mĂŒssen die Reichweiten der E-Autos nicht so gross sein. Ausserdem kommen E-Autos dann auch als Erstwagen in Frage. Gleichzeitig mĂŒssen die Batteriepreise fĂŒr E-Fahrzeuge noch deutlich gĂŒnstiger werden. Wir rechnen damit, dass die Kilowattstunde BatteriekapazitĂ€t von heute etwa 200 Euro bis zu Beginn der 2020er Jahre auf ungefĂ€hr 100 Euro sinkt. Dadurch werden E-Autos preislich konkurrenzfĂ€hig mit den Verbrennern.
Ein Blick voraus: Welche allgemeinen und technischen Entwicklungen erwarten Sie in der E-MobilitÀt in den kommenden Jahren?
KĂŒnftig werden E-Autos Teil des Ăkosystems von MobilitĂ€ts- und Energiedienstleistungen. Sie können mit den Solarzellen auf dem Hausdach geladen werden und ihre Batterien werden als intelligenter Puffer fĂŒr das Energienetz eingesetzt. Gleichzeitig werden vernetzte Robo-Taxis elektrisch angetrieben, die sich ihre induktive Ladestation je nach MobilitĂ€ts- und Energienachfrage selber suchen.