| 22. Oktober 2014

Neue «alte» Motoren für die VBZ

Trams mit neuem Niederflur-Zwischenstück

Die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) suchten ein Unternehmen, das acht Motoren für ihr Tram 2000 mit dem Niederflur-Zwischenstück nachbauen kann – mit eigenen Modifikationen. Fündig wurden sie bei ABB Motoren & Generatoren in Kleindöttingen.

Das Tram 2000 ist ein Klassiker im Stadtbild Zürichs. Bereits1976 stellten die Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) die ersten Strassenbahnen dieser Typenfamilie in Dienst. Das Konzept überzeugte und wurde weiterentwickelt. Die abschliessende dritte Bauserie folgte erst in den Jahren 1992 und 1993.

In der nachfolgenden Generation beschafften die VBZ vom Jahr 2001 an das Niederflurtram «Cobra». Die 88 Trams dieses neuen Typs reichen aber nicht aus, um das Niederflurkonzept im weitverzweigten Stadtnetz flächendeckend umzusetzen. Angesichts ihrer noch langen technischen Lebenserwartung wurden deshalb die 23 Fahrzeuge der dritten Tram-2000-Bauserie durch eine «Sänfte» genanntes Niederflur-Zwischmodul ergänzt. Diese Umrüstung erfolgte in den Jahren 2004 und 2005.

Bis an thermische Grenze belastet

Die Motorisierung der nun unter der Typenbezeichnung Be 4/8 verkehrenden Trams wurde dabei nicht geändert. Die zwei Drehstrom-Asynchronmotoren sind mit je 157 kW Dauerleistung grundsätzlich leistungsfähig genug, die zusätzliche Masse des Mittelteils, des zweiten Laufdrehgestells und der um 21 Sitz- und 28 Stehplätze erhöhten Transportkapazität auch bergwärts zu bewältigen.

Aufgrund der eigenventilierenden Bauweise der Motoren stösst das Antriebspaket bei langen Steigungs- und Gefällestrecken, die mit niedrigen Geschwindigkeiten befahren werden, an seine Grenzen. Die Motoren werden thermisch bis an ihre Grenzen belastet. Steigen die Temperaturen in den Wicklungen auf über 200 Grad Celsius, wird es kritisch, denn auf höhere Temperaturen ist die Isolation im Motor nicht ausgelegt. Auf die hauseigene Wicklerei der VBZ kam mit den notwendigen Reparaturen bisweilen einiges an Arbeit zu. Dabei nahmen die VBZ über die Jahre verschiedene Modifizierungen an den Motoren vor, um deren Zuverlässigkeit in den Extremsituationen zu steigern.

Immerhin sind die Motoren der dritten Serie nun auch schon mehr als zwei Jahrzehnte im Dienst. «Doch Reservemotoren waren in zu geringer Stückzahl vorhanden, um die Flotte ohne langen Unterbruch im Verkehrsnetz zirkulieren zu lassen. So machten wir uns 2012 auf die Suche nach einem Hersteller, der die Originalmotoren nachbauen kann, allerdings mit den von uns erarbeiteten Modifikationen», erklärt ein Verantwortlicher aus der VBZ-Fachabteilung.

 

Moderner Nachbau früherer Pläne

Die Anfrage erreichte die ABB-Einheit Motoren & Generatoren, die von ihrem ursprünglichen Standort in Birr im Jahr 2012 nach Kleindöttingen gezogen war. In ihrem umfassenden Archiv finden sich die Pläne von BBC/ABB-Motoren bis zurück zu den Pionierzeiten. Die Experten in Kleindöttingen sind aber auch in der Lage, Elektromotoren zu rekonstruieren, zu denen keine Pläne mehr vorliegen – unabhängig vom Hersteller.

«Ausser dem detailgetreuen Nachbau können wir natürlich auch Modernisierungen vornehmen», erklärt Edmondo Dongiovanni, zuständiger Verkaufsingenieur von ABB in Kleindöttingen. «Nach der Anfrage der VBZ haben wir eng mit deren Technikern zusammengearbeitet. Sie erläuterten uns im Detail die Modifikationen, die sie selbst an den bestehenden Motoren umgesetzt hatten.» Diese Verbesserungen bei der Isolation und der Effizienz der Eigenventilierung flossen in das Re-Engineering der neuen «alten» Motoren ein.

Inzwischen konnten alle acht bestellten Motoren an die VBZ ausgeliefert werden. Diese wurden bereits eingebaut und treiben heute die Sänften an. «Die Zusammenarbeit mit ABB habe ich ausgesprochen positiv erlebt», blickt Urs Hoffmann, Leiter Engineering aus dem Unternehmensbereich Technik der VBZ, auf das Projekt zurück. «Die Fachleute in Kleindöttingen verstehen ihr Metier. Und sie nahmen sich zu Herzen, was wir an Erfahrungswissen und Verbesserungsmöglichkeiten über all die Jahre gesammelt und umgesetzt hatten.»

«Die Fachleute in Kleindöttingen nahmen sich zu Herzen, was wir an Erfahrungswissen und Verbesserungsmöglichkeiten über all die Jahre gesammelt hatten.»

VBZ

Die Verkehrsbetriebe Zürich betreiben den Grossteil des öffentlichen Nahverkehrs in der grössten Schweizer Stadt, insbesondere die 15 Linien der Strassenbahn, die sechs Linien des Trolleybusses Zürich sowie die Seilbahn Rigiblick. Auch die 16 Hauptlinien des städtischen Autobusverkehrs, elf Quartierslinien und 27 Regionallinien ausserhalb der Stadt Zürich zählen zum Aufgabengebiet der VBZ. Allein auf dem Stadtgebiet werden 441 Haltestellen bedient. Die VBZ befördern jährlich über 300 Millionen Passagiere und beschäftigen rund 2500 Mitarbeitende.